Strahlung wie Advektion behandeln: Ein neuer Ansatz zur Beschleunigung von 3D-Strahlungstransport in subkilometerskaligen Wettermodellen
31.05.2024
Die Wettervorhersage basiert auf numerischen Modellen, die mit einem enormen Rechenaufwand das Wetter der kommenden Tage prognostizieren. Ein Bestandteil dieser Wettermodelle sind Strahlungstransportmodelle, die die Ausbreitung solarer und thermischer Strahlung in der Atmosphäre beschreiben. Um Rechenzeit zu sparen, wird die Berechnung dieses Strahlungstransports bis heute so genähert, dass sich Strahlung nur in der Vertikalen, d.h. nach oben und unten, nicht aber zur Seite ausbreitet. Die Konsequenz ist, dass dadurch beispielsweise Schatten von Wolken immer nur direkt unter diesen liegen und nicht dem Stand der Sonne entsprechend positioniert sind. Während diese Annahme in früheren Wettermodellen mit mehreren Kilometern horizontaler Auflösung vertretbar gewesen sein mag, stößt sie heute zunehmend an ihre Grenzen. Denn je höher die horizontale Auflösung der Wettermodelle ist, desto wichtiger wird die Interaktion mit Nachbargitterzellen im Modell, um den Strahlungstransport richtig beschreiben zu können.
Um 3D-Strahlungstranpsort effizient berechnen zu können, wurde am Meteorologischen Institut vor einigen Jahren die „TenStream“-Methode entwickelt (Jakub und Mayer, 2015), welche wir jetzt mit einer Weiterentwicklung, dem „dynamic TenStream“-Modell (Maier et al., 2024), weiter beschleunigt haben. Verglichen mit anderen Modellen wird diese Beschleunigung vor allem mit zwei Mitteln erreicht: Zum einen wird das Strahlungsfeld nicht mehr zu jedem Zeitschritt des numerischen Modells komplett neu berechnet. Stattdessen wird die zeitlich zuvor ermittelte Lösung als Ausgangspunkt der neuen Lösung verwendet. Zweitens wird diese neue Lösung auch nicht mehr vollständig berechnet, sondern nur die ersten Schritte in Richtung einer neuen Lösung. Technisch führen diese beiden Ansätze dazu, dass wir Strahlung ähnlich wie den Transport meteorologischer Größen mit dem Wind (Advektion) behandeln und damit vergleichbarer mit anderen Bausteinen eines Wettermodells.
Um unser neues dynamic TenStream-Modell testen zu können, haben wir es auf einen Fall mit flacher Cumulusbewölkung angewandt. Die Ergebnisse unseres neuen Modells haben wir dann mit denen von drei anderen, etablierten Strahlungstransportmodellen verglichen: Ein 1D-Modell, wie es in Wettermodellen bis heute üblich ist, das ursprüngliche TenStream-Modell, auf dem unsere neue Methode basiert, und das Monte-Carlo-Modell MYSTIC, welches uns als Referenzmodell dient. Die Berechnungen dieses Referenzmodells benötigten dabei in unserem Fall mehr als einen Faktor 1000 mehr Rechenzeit als die des 1D-Modells.
Das untenstehende Video demonstriert nun anhand eines Vertikalschnittes durch das Modellgebiet das Verhalten der vier Modelle im solaren (links) und thermischen (rechts) Spektralbereich. Zu sehen sind dabei sogenannte Heizraten, mit denen Energiequellen und -senken in der Atmosphäre quantifiziert werden. Im solaren Spektralbereich erkennt man so zum Beispiel Wolken anhand ihrer im Vergleich zur Atmosphäre hohen Heizraten (die weißen Flecken im Bild) und die von ihnen geworfenen Schatten anhand ihrer vergleichsweise geringen Heizraten. Man sieht, dass der in Abbildung (a) abgebildete 1D-Löser keinen horizontalen Transport von Sonnenstrahlung erlaubt: Schatten liegen hier fälschlicherweise direkt unterhalb der Wolken und folgen nicht dem Einfallswinkel der Sonne. Der ursprüngliche TenStream-Löser, der hier in Abbildungen (e) und (f) zu sehen ist, ist viel näher an der Referenzlösung (g, h), benötigt dafür aber auch eine mindestens um den Faktor fünf höhere Rechenzeit. Entscheidend für diesen Beitrag sind aber die Abbildungen
(c) und (d), die das Verhalten unseres neuen dynamic TenStream-Modells zeigen. Auffällig ist, dass dessen Abbildungen im Vergleich mit allen anderen Abbildungen weniger oft aktualisiert werden. Wir machen das, weil der Rechenaufwand des dynamic TenStream-Modells in (c) und (d) so vergleichbar mit dem des 1D-Modells in (a) und (b) ist. Dennoch produziert unser Modell mit diesem gleichen Rechenaufwand Lösungen, die sehr viel näher an der Referenz in den Abbildungen (g) und (h) liegen und sich kaum von der ursprünglichen TenStream-Lösung unterscheiden – von
ein paar kleinen Details abgesehen.
Welche Details das sind und wie unser neues Modell genau funktioniert, das erklären wir in unserem kürzlich veröffentlichten Artikel in der Zeitschrift Geoscienfic Model Development (GMD; Referenz unten).
Referenzen:
- Maier, R., Jakub, F., Emde, C., Manev, M., Voigt, A., and Mayer, B.: A dynamic approach to three-dimensional radiative transfer in subkilometer-scale numerical weather prediction models: the dynamic TenStream solver v1.0, Geosci. Model Dev., 17, 3357–3383, https://doi.org/10.5194/gmd-17-3357-2024, 2024.
- Jakub, F. and Mayer, B.: A three-dimensional parallel radiative transfer model for atmospheric heating rates for use in cloud resolving models – The TenStream solver, J. Quant. Spectrosc. Ra., 163, 63–71, https://doi.org/10.1016/j.jqsrt.2015.05.003, 2015.